Donnerstag, 11. April 2013

Warum sich die Christen für Nero - Teil 3

Teil 3 – „Sünder und Verbrecher aller Art“

Mein Eindruck ist – wie schon in Teil 2 angesprochen -, dass die gelehrte Mehrheitsinterpretation an einer wissenschaftlichen „Schwäche“ leidet. Um die neronische Verfolgung zu erklären, behauptet sie eine Art „Intoleranz“ der heidnischen Römer gegenüber dem aufkommenden Christentum. Diese ablehnende Haltung leitet sie vor allem aus Quellen her, die aus dem 2. oder gar dem 3. Jahrhundert stammen und sich auf örtliche Gegebenheiten weitab von Rom beziehen. Der in diesem Zusammenhang oft angeführte Christenbrief Plinius´des Jüngeren schildert beispielsweise die Situation in der kleinasiatischen Provinz Bythinien und Pontus um ca. 110. Für die Verfolgung im Rom des Jahres 64 ist er damit nur bedingt aussagekräftig und seine Heranziehung eher als anachronistisch zu bewerten. Aufgrund der nur mangelhaften Quellenlage ist diese „Schwäche“ jedoch nur allzu gut verständlich.

Auch mein kleiner Versuch wird dieser Schwäche nicht entgehen. Trotzdem will ich eine Erklärung auf Grundlage von Texten vorschlagen, die man gewöhnlich dem 1. Jahrhundert zuordnet. Sie sollen sich zudem auf Gegebenheiten und Ereignisse in der Stadt Rom selbst beziehen bzw. zumindest auf solche, von denen man plausibel annehmen darf, dass sie in der Meinungsbildung gewisser stadtrömischer Kreise bis zum Jahr 64 eine Rolle spielen konnten. Ich beschränke mich daher im Wesentlichen auf die sogenannten echten Paulusbriefe und die Apostelgeschichte.

Kehren wir zunächst zu Johann Gottlieb Ernst Mess zurück. Sein Urteil über die frühen Christen stützte er auf zwei Umstände: einerseits handele es sich bei diesen „um viel rohes Gesindel, entlaufene Sclaven, Sünder und Verbrecher aller Art“, andererseits sei ihr Glaube keinesfalls hochstehend geistiger Natur gewesen, sondern „nur sinnlich und schwärmerisch“. Für beide Behauptungen blieb Mess leider jeden Beleg schuldig. Reichen wir diesen zunächst für den ersten Punkt nach.