Montag, 31. März 2014

Jesus’ bizarrer Umweg zur Syrophönizierin und warum ...


… das Meer von Galiläa plötzlich mitten in der Dekapolis liegt


Gelb für die Wegstrecke Jesu,
Grün für die „Wanderung“ des Sees
Teil 1 - Ein symbolträchtiger Umweg

1) Vor mehr als 35 Jahren schrieb Friedrich Gustav Lang seinen wunderbaren Aufsatz „Über Sidon mitten ins Gebiet der Dekapolis“, in dem er die irreale Reise Jesu in Mk 7 untersuchte: „Mk 7,31 enthält die Beschreibung einer merkwürdigen Reiseroute, auf der Jesus gegangen sein soll: ‘Und nachdem er das Gebiet von Tyrus wieder verlassen hatte, ging er über Sidon an den galiläischen See, mitten im Gebiet der Dekapolis.‘ E. Schweizer schreibt dazu, man müsse sich ‘die Unmöglichkeit des Reiseweges an einem Beispiel der eigenen Gegend klarmachen‘, und wählt zum Vergleich eine Route ‘von Darmstadt über Frankfurt nach Mannheim mitten durchs Neckartal‘. Fast alle Ausleger kommen heute zu einem ähnlich kritischen Urteil.

Der Ausgangspunkt dieser Wanderung, die Jesus ohne seine Jünger unternimmt, ist zunächst nicht eindeutig lokalisierbar. In Mk 6,53 befindet sich Jesus in Genezareth und zieht dann in Mk 6,56 durch „Dörfer, Städte und Höfe“. In Mk 7,1 versammeln sich bei Jesus („bei ihm“) die Pharisäer und einige Jerusalemer Schriftgelehrte, ohne dass wir genau erfahren, an welchem Ort „bei ihm“ gelegen ist (mutmaßlich noch in der Gegend um Genezareth, vielleicht auch in Kapernaum) - jedenfalls wohl am nordwestlichen Ufer des von Markus sogenannten „Galiläischen Meeres“. Von dort bricht Jesus dann auf: „Und er stand auf und ging von dort in das Gebiet von Tyrus.

Dienstag, 25. März 2014

Amazon-Rezension zu Bedenbenders "Frohe Botschaft am Abgrund"


Tja, ich hab versucht, endlich die Rezension zu Andreas Bedenbender zu schreiben und sie etwas "volkstümlich" zu halten:
via Amazon

1) Im 13. Kapitel des Markusevangeliums finden wir mitten in einem privaten Gespräch zwischen Jesus und vier seiner Jünger auf dem Ölberg zwei überraschende Bemerkungen, die nicht zur eigentlichen Erzählebene des Evangeliumberichts gehören.

Zum einen Mk 13,14 („Wenn ihr aber sehen werdet das Gräuelbild der Verwüstung stehen, wo es nicht soll - wer es liest, der merke auf! -, alsdann ...“) und zum anderen Mk 13,37 („Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!“). Die erste Äußerung wendet sich augenscheinlich an die Leser, die zweite Äußerung an die Leser und Hörer des Evangeliums. Offenbar ist es nicht die Stimme Jesu, sondern des Evangelisten selbst, die hier spricht. Markus scheint den Lesern und Hörern des Evangeliums verständlich zu machen, dass sie nicht als Unbeteiligte außerhalb seines Berichtes stehen und er auch die damaligen zeitgenössischen Leser mit „im Blick“ hat. Nicht nur den Jüngern, die Jesus nachfolgten, sondern auch den Lesern von Markus ist aufgegeben, Jesus Gleichnisse im Markusevangelium zu enträtseln und sich auf die Taten und Geschehnisse um ihn einen Reim zu machen.

Dr. Andreas Bedenbender (Pfarrer, Privatdozent an der Universität Paderborn und Redakteur der exegetischen Zeitschrift „Texte und Kontexte“) hat dies mit seinem Werk „Frohe Botschaft am Abgrund. Das Markusevangelium und der Jüdische Krieg“ in einer für den Beginn des 21. Jahrhunderts wohltuenden Weise unternommen. Bedenbenders „Schinken“ von mehr als 500 Seiten steht hierzulande für den Anbruch eines modernen Verständnis des Markusevangeliums, der sich auch international vollzieht.

Donnerstag, 20. März 2014

Den verborgenen Heiland wittern und als „Kyrios“ bekennen

1. Jesus mit "Kyrios" anreden

Die Syrophönizierin ist also die einzige Person im Markusevangelium, die Jesus in einem Wortgefecht schlägt. Aber auch darüber hinaus ist sie äußerst bemerkenswert, denn

via butnotyet.com
- sie hört „verstehend“ vom verborgenen Heiland
- und bekennt ihn als „Herrn“ (Kyrios)

Mk 7, 24ff: „Und er stand auf und ging von dort in das Gebiet von Tyrus. Und er ging in ein Haus und wollte es niemanden wissen lassen und konnte doch nicht verborgen bleiben, sondern alsbald hörte eine Frau von ihm, deren Töchterlein einen unreinen Geist hatte. … Sie antwortete aber und sprach zu ihm: Ja, Herr ...

Dass die Syrophönizierin alsbald von ihm „hörte“ (akousasa), sollte nicht zu gering bewertet werden. Noch in Mk 8,18 ist es um die eigentlichen Jünger nicht zum Besten bestellt: „Habt Augen und seht nicht, und habt Ohren und hört (akouete) nicht, ...


Auch die Anrede als „Herr“ (Kyrios) ist meines Erachtens im vollen geistlichen Sinn zu verstehen. Gewöhnlich wird Jesus nur als „Lehrer“ (Didaskale) angesprochen.

Dazu zwei der von mir so geliebten Übersichten: Wie Jesus sonst angeredet wird, von Gott, den Dämonen, Gegnern und Freunden ...

Mittwoch, 19. März 2014

In der Schreibwerkstatt des Sinaiticus


Der Codex Sinaiticus, ein Bibelmanuskript aus dem 4. Jahrhundert, gilt als älteste vollständig erhaltene Abschrift des Neuen Testaments. Beim Lesen des Codex fällt auf, dass er ganz unterschiedliche Arten von Korrekturen enthält (im Bild: Mk 1,1: Hinzufügung des Nomen sacrum „υυ θυ“, was für „υιου θεου“ steht [Huiou Theou - Sohn Gottes], von mir hier mit rotem Pfeil kenntlich gemacht).

Peter Malik hat in seinem ausgezeichneten ArtikelThe Earliest Corrections in Codex Sinaiticus: A Test Case From the Gospel of Mark” diese Korrekturen im Markusevangelium untersucht. Er unterscheidet bei den Korrektoren vor allem zwei Schreiber: den sogenannten Schreiber A und Schreiber D.

Schreiber A hat das Markusevangeliums selbst von einer Vorlage abgeschrieben und berichtigt seine eigenen Schreibfehler noch im Zuge des Abschreibens und Kopierens. Schreiber D, der die Arbeit von Schreiber A möglicherweise im Anschluss, jedenfalls zeitnah prüft, besitzt scheinbar eine etwas andere Vorlage des Markusevangeliums und berichtigt deshalb Schreiber A durch Hinzufügung einiger weniger Korrekturen.

Zusammenfassend lässt sich nach Peter Malik sagen, dass die Schreiber um eine seriöse Arbeit bemüht waren, auch wenn sie eine ganze Anzahl von Fehler unkorrigiert ließen. „Ideologische“ Berichtigungen sind nicht ersichtlich. Das Bemühen um die textgetreue Wiedergabe stand im Vordergrund.

Freitag, 14. März 2014

Jesus in einem Streitgespräch schlagen


Ich habe im Markusevangelium insgesamt 39 Wortgefechte mit Jesus einschließlich einiger verbaler und nonverbaler Reaktionen von Jesus gezählt. Die Anzahl ist etwas willkürlich. Neben den klassischen Streitgesprächen habe ich auch kritische oder berichtigende Anmerkungen von Jesus zu einem bestimmten Verhalten, zu bestimmten Fragen und zu nicht an Jesus gerichteten Äußerungen mit einbezogen. Bei den „Gesprächspartnern“ und „Gegnern“ ließ ich den Sturm und den Feigenbaum außen vor.

via monteskewed.blogspot.de
Jesus geht aus fast allen Wortgefechten als Sieger hervor. In einigen wenigen erzielt er ein Patt bzw. zumindest eine moralische Überlegenheit, auch mittels Schweigen (z.B. gegenüber dem Hohen Rat und Pilatus bei den Verhören). Durch die Auferstehung „siegt“ er letztlich auch gegen die Spötter unterm Kreuz.

Dennoch, ein einziges Mal wird der markinische Jesus in einem Wortgefecht geschlagen ...

Samstag, 1. März 2014

Was war hier los, die Herren Markus und Johannes?


Die auf den ersten Blick verblüffende sprachliche Nähe zwischen Mk 9,35ff und 3. Joh 9f könnte sich meines Erachtens daraus erklären, dass Begriffe wie „aufnehmen“ (δέξηται – dexêtai) und „hindern“ (κωλύει – koluei) im gängigen frühchristlichen Sprachgebrauch waren und die Formulierung des 3. Johannes-Briefes sich (möglicherweise bewusst) eng an das Markusevangelium anlehnte.

Ich habe drei weitere, vergleichbare Stellen gefunden. Entgegen dem ersten Eindruck ist Mk 9,37 meines Erachtens deshalb so auszulegen, dass es sich bei dem Wort von der "Aufnahme des Kindes" um ein zeitlich in das "Leben" Jesu rückprojiziertes Gebot zur Beherbergung von paulinischen Wanderpredigern in den Gemeinden handelt.
Markus 9,35ff
3. Johannes 9f.
„Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand der Erste (πρτος – prôtos) sein will, der soll von allen der Letzte sein und aller Diener. Und er nahm ein Kind und stellte es mitten unter sie und umarmte es und sprach zu ihnen: Wer ein solches Kind aufnimmt (δέξηται – dexêtai) in meinem Namen (π τ νματ μου - epi tôi onomati mou), der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt (ποστελαντ – aposteilanta) hat. Da sagte Johannes zu ihm: Lehrer, wir sahen einen, der trieb in deinem Namen Dämonen aus und wir wollten ihn daran hindern (κολοθει - êkolouthei), weil er uns nicht nachfolgt. Jesus aber sprach: Hindert (κωλύετε – kôluete) ihn nicht.“
„Ich habe der Gemeinde kurz geschrieben; aber Diotrephes, der unter ihnen der Erste sein will (φιλοπρωτεύων – philoproteuon), nimmt uns nicht auf (πιδέχεται – epidexêtai). Darum will ich ihn, wenn ich komme, erinnern an seine Werke, die er tut; denn er macht uns schlecht mit bösen Worten und begnügt sich noch nicht damit: Er selbst nimmt die Brüder nicht auf und hindert (κωλύει – koluei) auch die, die es tun wollen, und stößt sie aus der Gemeinde.“