Donnerstag, 31. Juli 2014

Vier neue Bücher: Markus als Pauliner


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Ich habe schon mehrfach geschrieben, dass ich Markus für einen Pauliner halte. Grund hierfür sind vor allem zwei Umstände: zum einen das unablässige „Mobbing“ im Markusevangelium gegenüber Petrus, den „Säulen“ und den Zwölf und zum anderen eine Vielzahl von Übereinstimmungen mit paulinischen Sichtweisen, vor allem solche aus dem 1. Korintherbrief. 

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Für mich macht das den meisten Sinn. Warum sonst sollte Markus auch die Jünger ständig als unverständige „Deppen“ vorführen? Die einzig glaubhafte Erklärung ist für mich, dass er eben auf der paulinischen „Gegenseite“ stand, aber dennoch an die Tradition gebunden war, dass Petrus als erster bzw. wichtigster Jünger Jesu angesehen wurde, was Paulus selbst schon überlieferte. Die Frage ist für mich nicht, ob Markus Pauliner war, sondern in welchem Sinn er es war, denn wir finden ja auch Unterschiede zwischen Markus und Paulus.

Die Sichtweise, dass Markus Pauliner war, hat es in der Wissenschaft lange Zeit sehr schwer gehabt und ist nur vereinzelt aufgetreten. In den letzten zwei, drei Jahren sind nun mehrere Bücher erschienen, die diese Position vertreten. Ich will vier Arbeiten in diesem Beitrag ganz kurz vorstellen und freue mich besonders, dass sich auch ein deutschsprachiges Buch darunter befindet. Zum Schluss noch ein kleiner Bonus von mir. Zunächst die vier Bücher:

Eric Kun Chun Wong „Evangelien im Dialog mit Paulus: eine intertextuelle Studie zu den Synoptikern“, Vandenhoeck & Ruprecht, 2012

Tom Dykstra, „Mark Canonizer of Paul: A New Look at Intertextuality in Mark‘s Gospel”, Ocabs Press, 2012

Thomas Nelligan, „The Quest for Mark‘s sources: An exploration of the case for Mark‘s use of first Corinthians”, 2012

Bartosz Adamczewski, „The Gospel of Mark. A Hypertextual Commentary“, Verlag Peter Lang, 2014

Dienstag, 22. Juli 2014

Die Übersetzung von zwei Wörtern in Mk 14,4-5, …


über meine geplante Übersetzung des Markusevangeliums und als Bonus eine der von mir heißgeliebten Übersichten: „Gefühle im Markusevangelium“ (wer wann welche Gefühle hat bzw. äußert)

1.) Ich habe einige Zeit investiert, um die Wörter „ἀγανακτοῦντες“ (aganaktountes) in Mk 14,4 und „ἐνεβριμῶντο“ (enebrimōnto) in Mk 14,5 möglichst treffend zu übersetzen.
ein äußerst gereizter Jesus via
wrostoll.blogspot

Die Luther übersetzt ersteres mit „unwillig werden“ und letzteres mit „anfahren“. Die Offene Bibel hat sich erfreulicherweise für expressivere Begriffe, nämlich für „aufregen“ und „beschimpfen“ entschieden. Ich tendiere nach gründlicher Überlegung zu „äußerst gereizt sein“ und „anschnauzen“. Das erste Wort stammt aus dem medizinischen Bereich und bezieht sich in erster Linie auf körperliche Reizungen und Entzündungen. Auch im Kontext von Mk 14,4 fand ich deshalb „äußerst gereizt sein“ treffend. Das zweite Wort meint ursprünglich ein zorniges Schnauben von Pferden. „Anschnauzen“ schien mir da am passendsten.

2) Auf lange Sicht beabsichtige ich natürlich eine eigene Übersetzung des Markusevangeliums. Mir scheint diese wünschenswert, weil alle mir bekannten Übersetzungen meiner Meinung nach außer Acht lassen, dass Markus bestimmte Wörter genau überlegt und ganz bewusst gebraucht, um eine Stelle zu betonen und Sinnzusammenhänge zwischen einzelnen Szenen des Evangeliums herzustellen.

Dienstag, 15. Juli 2014

Markinische Abhängigkeit der johanneischen Salbung

via convincedinlove.blogspot

Mein eigener Eindruck ist, dass der Evangelist Johannes das Markusevangelium (und auch das Lukasevangelium) kannte und dass das Johannesevangelium eine freie Interpretation dieser beiden Schriften ist.

Einer der Gründe für diese Annahme sind die Gemeinsamkeiten der markinischen und der johanneischen Salbung, die - obwohl grundverschieden (Kopfsalbung bei Markus durch namenlose Frau im Haus Simons des Aussätzigen, Fußsalbung bei Johannes durch Maria im Haus von Lazarus) - viel zu viele wörtliche Übereinstimmungen aufweisen, um literarisch voneinander unabhängig zu sein.

Nachfolgend eine Übersicht der wesentlichen Gemeinsamkeiten:

Dienstag, 8. Juli 2014

Die Liebe in den Zeiten der Lepra (Mk 14,3ff)

LXX Hld 1,12 : „Als der König sich
hinlegte, gab meine Narde ihren Duft.“

1) In 1. Kor 13 besingt Paulus die Liebe mit Worten, in denen das Hohelied Salomos deutlich anklingt. Schließlich hisst er das Freiheitsbanner der Liebe in Römer 13,8ff und Galater 5,1ff und erhebt die Nächstenliebe zum höchsten Gebot: „Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!'

Markus, der Paulus in so vielem folgt, berichtigt oder - besser - ergänzt seinen Vorläufer in Mk 12,28ff um einen für ihn selbst offenbar ganz wesentlichen Punkt. Noch vor der Nächstenliebe führt er die Liebe zu dem einen Gott an: „Das höchste Gebot ist das: 'Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften'. Das andre ist dies: 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst'“.

Desto erstaunlicher ist es, dass die Liebe auf den ersten Blick im Markusevangelium abwesend zu sein scheint. Das Substantiv „Liebe“ (ἀγάπη – agápē), das immerhin 116 Mal im Neuen Testament enthalten ist, taucht im Markusevangelium nicht auf und das Verb „lieben“ eben nur in Mk 12,28ff („liebgewinnen“ ein weiteres Mal in Mk 10,21). Sicher, man kann annehmen, dass der kühle Denker Markus nur sparsam Gefühle äußert. Aber man muss sich die von Markus geprägte, 5. Mose 6,4ff. leicht abändernde Formel („... lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften ...“) einmal in Ruhe durchdenken, um zu begreifen, dass die Abwesenheit der Liebe im Markusevangelium eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist.

2) Die Geschichte der Auslegung des Neuen Testaments kennt Rätsel, die die Jahrhunderte überdauert haben, über die bereits die Kirchenväter geteilter Ansicht waren und die auch in unserer Zeit noch zu scharfsinnigen Meinungsstreiten der Gelehrten Anlass geben. Eine solche Knobelaufgabe ist das Wort „πιστικῆς“ (pistikês) in Mk 14,3, dass die Lutherbibel mit „echt“ übersetzt: „νάρδου πιστικῆς“ also mit „echte Narde“. Zuweilen findet man auch die Übersetzung als „reine“ Narde (NeÜ, Gute Nachricht, Hoffnung für alle). Der ehrwürdige Wichelhaus (pdf, Seite 51) schrieb bereits 1855 zu dieser Frage: „Dieses Wort hat bekanntlich den Gelehrten viel zu raten und nicht weniger Anlass zu gelehrtem Prunk und Schwulst gegeben.

Donnerstag, 3. Juli 2014

Unwägbarkeiten in Mk 14,1-11

Alabastron via
wikimedia
 

Als was erscheint Jesus in Mk 14,1-11 eigentlich? Als „würdig“ gesalbter Christus, als von teurem Duftöl „dekadent“ triefender Jesus oder als einbalsamierter leidender Gottesknecht?

In meinem letzten Beitrag habe ich zu vorschnell geurteilt. Ich hatte den Eindruck, dass gewisse Doppeldeutigkeiten und Unbestimmtheiten der Erzählung sich auflösen lassen und ihr Sinn in der Auslegung eindeutig „gemacht“ werden kann. 

Bei genauer Lektüre ist diese Annahme jedoch falsch. Markus scheint den Leser zu zwingen, sich in die Szene zu vertiefen und aus seiner schemenhaften Skizze einen Sinn zu "erarbeiten", der endgültig nicht festgelegt werden kann.


1) Zunächst ist bemerkenswert, mit welcher Sorgfalt Markus den Text der Salbungsszene ausbalanciert hat (Griechischer Grundtext am Schluss des Beitrags).

        Darniederliegend er, kam eine Frau
                                                        habend ein Alabastron
                                                                                         kostbaren Öls von echter Narde.
                                                        Zerbrochen habend das Alabastron
         niedergoß sie es auf seinen Kopf.

Auf der Textebene nehmen die Wörter „niederliegend“ und „niedergießen“ aufeinander Bezug, ebenso die im Kontrast von Beschützen und Zerstören stehenden Wörter „habend, bewahrend“ und „zerbrochen habend“. Im Zentrum der Szene steht nicht die Frau, sondern ein erstaunlich detailliert bezeichnetes Öl, an dem sich die Diskussion entzündet.

2) Unbestimmheiten

Äußerlichkeiten der Frau (Name, Herkunft, Alter, Status, Beziehungen zu Jesus oder zu den Anwesenden) erfahren wir aus dem Markusevangelium nicht. Es scheint, als habe Markus alle erläuternden Einzelheiten mit Absicht ausgeblendet, um die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers auf die Handlungen der Frau und das Öl zu lenken.