Dienstag, 14. Oktober 2014

Draufgängertum und Zärtlichkeit des blinden Bartimäus

Bartimäus: Zärtlicher Draufgänger
via majide2ch.blogspot

1) Ruhm für den „Glauben“ wird dreimal im Markusevangelium zuerkannt.

Zunächst wird diese Ehre „einigen“ zuteil, die in Mk 2,3ff das Dach eines Hauses aufbrechen, um einen Gelähmten von oben zu Jesus herabzulassen, da ihnen das „Volk“ (ὄχλον) den Weg durch die Tür versperrt: „Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er ...

... oder rührseliger Opa?
via lavistachurchofchrist
Dann ist es der Ruhm einer blutenden Frau, die sich in Mk 5,27ff durch „viel Volk“ (ὄχλος πολὺς) drängelt und von hinten an Jesus anschleicht, um sein Gewand zu berühren: „Meine Tochter, dein Glaube hat dich errettet ...

Schließlich der markinische Held Bartimäus, der sich gegen die „vielen“ aus einer Menge von „genügend Volk“ (ὄχλου ἱκανοῦ) behauptet, die ihn zum Schweigen bringen wollen: „Geh, Dein Glaube hat Dich errettet ...

Es sind alles Draufgänger, die sich „auf eigene Faust“, mit weiblicher List oder mit männlicher Rücksichtslosigkeit, quer durch die Menge zu Jesus „durchschlagen“.


2) Bartimäus wird eingangs aggressiv Schweigen geboten: „und anherrschten ihn viele, dass er schweigen solle ...“ Indes bleibt Bartimäus unbeirrbar: „Der aber („ὁ δὲ“) viel mehr schrie ...

Donnerstag, 9. Oktober 2014

AUF DEM WEG - ἐν τῇ ὁδῷ

via pinsoflight.net

1) Markus hat den Abschnitt zwischen der ersten und zweiten Blindenheilung sichtbar gegliedert.

Fünf Mal begegnet uns zwischen Mk 8,27 und Mk 10,52 die Wendung „ἐν τῇ ὁδῷ“ - „auf dem Weg“. Sie ist außerhalb dieses Abschnitts nur in Mk 8,3 als Vorausblick erwähnt. Der Abschnitt wurde von Markus auch mit wiederkehrenden Motiven gestaltet, die sich schematisch so darstellen lassen:

1. Blindenheilung
                   Christus-Bekenntnis des Petrus
                                         1. Leidensankündigung, Fehlverhalten von Jüngern, Belehrung durch Jesus
                                         2. Leidensankündigung, Fehlverhalten von Jüngern, Belehrung durch Jesus
                                         3. Leidensankündigung, Fehlverhalten von Jüngern, Belehrung durch Jesus
                    Sohn-Davids-Bekenntnis des Bartimäus
2. Blindenheilung

Für die drei Lehrreden von Jesus könnte man folgende Überschriften finden: - Mk 8,34ff: Weg der Nachfolge, - Mk 10,29ff: Lohn der Nachfolge, - Mk 10,42ff: Art und Weise der Nachfolge

- Nachfolge Jesu auf dem Kreuzweg durch Selbstverleugnung
- Glaubensgemeinschaft auf dem irdischen Leidensweg und ewiges Leben in der Zukunft
- Dienende Niedrigkeit zum Wohl aller Gläubigen

Dem stehen als „Versuchung“ das Streben nach irdischer, vor allem auch innerkirchlicher Macht und Autorität, nach Reichtum und nach persönlichem Ansehen gegenüber.

Der Abschnitt „Auf dem Weg“ ist das schlagende Herz des Markusevangeliums. In ihm wird eine Frage gestellt, die um das griechische Wort „θέλει“ (thelei - wollen) kreist: Was ist DEIN Begehr? Was willst DU? Markus verhängt keine strengen Gebote, nichts wird unter „Strafe“ oder „Verdammnis“ gestellt. Es ist ausdrücklich eine Frage der eigenen Entscheidung, des freien Wunsches – Mk 8,34: „Wenn einer will (θέλει – thelei) mir nachkommen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach ...


2) Der blinde Bartimäus sitzt in Mk 10,46 zunächst neben dem Weg („παρὰ τὴν ὁδόν“). Ihm stellt Jesus schließlich diese Frage (Mk 10,51): „Was willst (θέλεις – theleis) du, dass ich für dich tun soll?“ Nach seiner „Heilung“ („Dein Glaube hat Dich gerettet“) folgt Bartimäus schließlich Jesus nach „ἐν τῇ ὁδῷ“ - auf dem Weg.

Was Bartimäus wollte? Er wünschte nur „ἀναβλέπω“ (anablepó) zu sein - „aufblickend“, den Willen Gottes erkennend …

Montag, 6. Oktober 2014

„ἀναβλέπω“ in der Septuaginta und bei Markus



1) Markus’ Bibel, die Septuaginta, schildert im Buch Genesis (1. Mo 24, 62) die erste Begegnung zwischen Rebekka und Isaak so:
Abel Pann: Rebekah
via iamachild.wordpress

Isaak aber durchzog die Wüste zum Brunnen der Erscheinung; er selbst aber wohnte in dem Land, das nach Süden liegt. Und Isaak kam heraus, um Zwiesprache zu führen auf das Feld gegen Abend und aufblickend (ναβλψας) mit den Augen sah er Kamele kommen. Und Rebekka aufblickend (ναβλψασα) mit den Augen sah Isaak und sprang vom Kamel herab und sagte zum Knecht: Wer ist der Mensch dort, der auf das Feld zur Begegnung mit uns gekommen ist?

Isaak sieht die „Kamele“ seines Vaters zurückkehren. Rebekka sieht einen Mann, vom dem sie noch nicht sicher weiß, dass es „Isaak“ ist. Es sind Blicke aus der Ferne, die sich noch nicht begegnen. Ein erstes romantisches „Schau-mir-in-die-Augen“ muss noch warten. Warum betont der Erzähler (Übersetzer) diese Blicke dann? Beide „blicken“ zunächst „auf“ und dann „sehen“ sie.

Die Wendung „aufblickend/ aufschauend mit den Augen“ könnte einerseits als bloße Floskel verstanden werden, die keine tiefere Bedeutung hat. Sie könnte andererseits aber auch einen Impuls, eine plötzliche Eingebung beschreiben, aufgrund derer Rebekka und Isaak in ihrem gewöhnlichen Tun „aufgeschreckt“ werden und ihre Aufmerksamkeit vollständig auf etwas Neues richten. Dabei könnte es sich um ein für beide noch rätselhaftes, aber schicksalhaftes Geschehen handeln.

Auf den ersten Blick scheint diese letztere Möglichkeit etwas überspannt. Dieser Eindruck ändert sich jedoch, wenn man die zwölf weiteren Stellen im Buch LXX-Genesis liest, die das Verb ναβλέπω (anablepó – aufblicken) enthalten. Nehmen wir zum Beispiel das Erscheinen des Widders bei der Bindung (Opferung) Isaaks im Buch Genesis (1. Mo 22,13):

Und als Abraham mit seinen Augen aufblickte (ναβλψας), sah er, und siehe, ein Widder mit seinen Hörnern verfangen im Strauch Sabek; und Abraham ging und nahm den Widder und brachte ihn als Ganzfeueropfer anstelle seines Sohnes Isaak dar. Und Abraham gab jenem Ort den Namen: Der Herr hat gesehen, damit man heute sagt: Auf dem Berg zeigte sich der Herr.

Vorliegend ein Beitrag zur Verwendung des Verbs ναβλέπω (anablepó – aufblicken) in der Septuaginta und im Markusevangelium …